Filmkritik: Tödliche Entscheidung

Filmplakat
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Regie: Sidney Lumet
USA, 2007
At-Start: 9.5.2008

Gute Kritiken bringen die Menschen ins Kino. Das ist schön. Dass ihre Leser ihren Empfehlungen aber folgen, ohne sich mit dem Inhalt des Filmes vertraut gemacht zu haben ist bezeichnend und auch ein wenig amüsant. So strömten also die Leser diverser intellektuell anspruchsvoller Tageszeitungen in die Kinos um wieder einmal einen guten Film zu sehen. Und sie schienen überrascht. Denn Sidney Lumet wartet nicht nur mit einer Riege hervorragender Schauspieler, sondern auch mit einer üppigen Portion Gewalt auf. Zwei Brüder beschließen nämlich, das Juweliergeschäft ihrer Eltern zu überfallen und im Zuge einiger organisatorischer Ungereimtheiten kommt ihre Mutter dabei ums Leben. Von diesem Zeitpunkt erörtert der Film in immer neuen Anläufen, die immer weiter in der Zeit zurückgreifen, die Umstände dieses Überfalls.

Was sich als Thriller angekündigt wir kurzzeitig zu einer Detektivgeschichte um sich schlussendlich vollends zu einem Familiendrama zu entwickeln. Es ist die Beziehung des Vaters zu seinen zwei Söhnen, die als Motor für deren Handlungen fungiert. Mangel und Überfluss an Liebe haben die beiden in tiefe Krisen gestürzt und die massive körperliche Gewalt wird immer mehr zum Sinnbild für tiefer liegende zwischenmenschliche Aggressionen. Dabei muss sich der Regisseur mit vollem Gewicht auf seine Darsteller (Seymour-Hoffman, Hawke, Finney usw.) stützen, die dieser Last, den Erwartungen entsprechend, gewachsen sind. Beeindrucken kann der Film vor allem durch diese Schauspielerischen Kraftakte, die von einer, immer wieder erfreulich deplazierten Kamera eingefangen werden. Phasenweise verliert man als Zuseher jedoch den Überblick, worauf man denn jetzt noch warten muss um die Handlung zu Ende zu bringen. Und zurückblickend stellt sich die Frage, ob all die Gewalt und Nacktheit, die wie visuelle Kraftausdrücke auf einen niederprasseln, tatsächlich dem Zugang zur Familientragödie dienen, oder doch primär den Vorstellungen einer gewissen Clique von Cineasten entsprechen.

Das Grazer Publikum schien nicht der Meinung, dass jeder niveauvolle Film mit einer hässlichen Sexszene beginnen muss.

Harald Koberg