Filmkritik: BACK TO AFRICA
Regie: Othmar Schmiderer
Genre: Dokumentation
Land: A/D
Länge: 98 Minuten
Oskar Schmiderer begleitet fünf Künstler des von Andrè Heller ins Leben gerufenen Zirkusprojekts Africa, Africa! in ihre Heimat. George Momboye (Tänzer und Choreograph), Ebraima Tata Dindin (Koraspieler und Komponist der meisten Filmlieder), Mingue Diagne Sonko (Tänzerin), Dickson Oppong (Tellerjongleur und Wasserkünstler) und Makaya Dimbelolo (Schlangenmensch) lassen den Zuseher
interessante Einblicke in ihr Leben zwischen den Kontinenten erfahren.
In schönen Bildern zeigt der Film die friedliche Seite der Kooperation zweier Welten, die sich infrastrukturell und kulturell massiv unterscheiden. Neben dem tagtäglich streng durchstrukturierten Leben auf den Tourneén in Europa, das für die meisten der Künstler als reine Arbeit betrachtet wird, sieht man den Einfuss des kulturellen Kontextes auf die Motivation ihrer Beschäftigung deutlich hervortreten.
Ist in den Worten Momboyes der Tanz, Leben, Atmen, Sterben und Liebe und tief im Alltag verankert, so wirken die szenischen Darstellungen in der Manege wie eine Parabel auf das Stereotyp der westlichen Gewaltentrennung zwischen Freizeit und Beruf. Um hier nicht in den derzeit so geschätzten multikulturellen Kulturrelativismus, der seinen Altruismus oft auf überkommenen Überzeugungen errichtet, abzugleiten, muss etwas differenziert werden - so ist hier die Rede vom institutionalisierten
Schautanz, der in Schmiderers Bildern als kollektiv stehendes Fest gezeigt wird. In Momboyes Casting-Veranstaltungen, in welchen er neue Tänzer für das Ensemble engagiert, sind die Grenzen zwischen Zuseher und Darsteller nicht durch Neonlicht und Tribüne gezogen, was dem Tanz eine angenehme und mitreissende Natürlichkeit verleiht und nicht den zeitgenössischen virtuellen Körperkult bedient.
Die Verschiebung von Tätigkeit zu Schau, von welcher dieser auch explizit spricht, wird besonders deutlich in Dindins Koraspiel. Mit dem religiös bedeutungsvollen Instrument bespielt er in seiner Heimat ein begeistertes, tanzendes Publikum, während im Kontext des Kulturzirkus' seine eigentliche Rolle verträumt und auf ein Symbol des Mythischen reduziert wird, was dem Künstler eine konstruierte Einsamkeit auf der Bühne verleiht, die genau genommen nicht als tatsächliches Abbild seiner Tätigkeit betrachtet werden kann. Genau dieser Punkt macht die interessante Kernaussage des Filmes aus - die nicht wirklich personalisierten Darsteller eines Zirkus', die in die Zügel einer kulturellen Symbolik des tanzfreudigen, lustigen, offenen und energiegeladenen Afrikas gespannt werden, werden personalisiert ohne dabei ihre Musik- und Tanzliebe zu verlieren. Aus dieser Perspektive ist der Film eine nahezu unentbehrliche Ergänzung zum Zirkus, der allein wohl kaum einem differenzierten Afrikabild dienlich ist.
Die oben genannte Gewaltentrennung ist in etwas anderer Art und Weise natürlich auch bei den begleiteten Menschen vorhanden, nur wird sie nicht zwischen Büro, Eintrittskarte und Tribüne gezogen, sondern zwischen kleinen Bühnen in Gambia, Senegal, Kongo, Ghana, Elfenbeinküste und kunstvollem Zirkuszelt in Europa.
Bewundernswert ist darüber hinaus das soziale Bewuÿtsein der enthusiastischen Künstler - Dimbelolo investiert in Bestattungswagen für ein Krankenhaus und betreibt eine Akrobatikschule für Kinder, deren Eltern sich ihre Schulausbildung nicht BACK TO AFRICA leisten können, Dindin träumt davon, mit dem verdienten Geld eine Plattform aufzubauen, mit deren Hilfe die ghanesische Kunst breitere Aufmerksamkeit gewinnen kann, Sonko trainiert mehrere Stunden am Tag, um danach in einer Tanzschule für kleine Kinder ihr Wissen weiterzugeben.
Der gelungene Dokumentarfilm zeigt ein Afrika jenseits stereotyper Bilder und Menschen, die sich ihrer sozial priviligierten Stellung bewuÿt sind und die Möglichkeit nutzen, ihren Landsleuten und Familien helfen, die, was im Film etwas untergeht, tatsächlich in ärmsten Bedingungen leben.