Filmkritik: Talk to Me

Filmplakat
Filmplakat

Regie: Kasi Lemmons
USA, 2007
18.4.2008

Mit "Hotel Ruanda" hat Don Cheadle bewiesen, dass die Latte für ihn höher gelegt werden darf, als das mit „Oceans's 11" der Fall war. In „L.A. Crash" wirkte er an einem weiteren Film mit, der geradezu zum Nachdenken zwingt. Mit „Talk to Me" schlussendlich scheint er die Lücke zwischen Spaß und Ernst ansatzweise zu schließen.


Petey Greene (Cheadle) war eine der einflussreichsten Figuren der schwarzen Bevölkerung Washingtons in den 1960ern. Frisch aus der Haft entlassen ergattert er sich einen Job als Radiomoderator und spricht seinen großteils schwarzen Zuhörern aus der Seele. Während Martin Luther King mit seinen Lehren das Ideal verkörpert, entwickelt sich Greene zur inneren Stimme eines trotz aller Unterdrückung bedeutenden Teils der Bevölkerung. Mit viel derben Witz und kompromissloser Systemkritik jagt er die Zuhörerzahlen durch die Decke. Als Martin Luther King erschossen wird wendet er sich an seine Zuhörerschaft und es gelingt die Deeskalation und Greenes Popularität explodiert endgültig.


Während sein Manager Dewey Hughes (Chiwetel Ejiofor) ihn immer größere Veranstaltungshallen füllen lässt wächst dem „einfachen Gauner", wie er sich selbst bezeichnet, seine Popularität mehr und mehr über den Kopf. Das Showbusiness war nie sein Ziel gewesen und die Glaubwürdigkeit, die ihn groß werden ließ verliert mit zunehmender Entfernung zu den Menschen an Bedeutung.


Kasi Lemmons erzählt von einer amerikanischen Ausnahmefigur, deren Bedeutung aus europäischer Sicht nur schwer zu fassen ist. Der Film dreht sich um spezifische gesellschaftliche Gegebenheiten, die uns Europäern wohl weitgehend unbekannt sind. Gerade aus diesem Grund ist es uns aber möglich, das Potential des Filmes voll auszuschöpfen und uns einführen zu lassen, in das Leben, die Dynamik und die Themen dieser Zeit, an diesem Ort. Sowohl in Bezug auf Petey Greene selbst, als auch mit Blick auf die Gesellschaft als Ganze gelingt Lemmons eine recht eindrucksvolle Analyse die dem Zuseher das Gefühl gibt, einiges verstehen zu lernen. Stützen kann er sich dabei erwartungsgemäß auf glaubwürdige Darsteller die zwischen all dem Ernst ihren Witz nicht verlieren. Getragen von Stil und Sound der 60er findet die Handlung nach jedem Drama wieder zu ihrem, alles negative verdrängenden, humorvollen Grundgefühl zurück - eine Fähigkeit die auch unsere Gesellschaft ihr eigen nennen darf. Auch wenn Petey Greene in Europa wohl kaum wahrgenommen worden ist, der Film macht seinen Einfluss spürbar. Seine Totenrede hielt sein Freund Dewey Hughes - vor 10 000 Menschen.

Harald Koberg