Filmkritik: Ein Lagerkoller, der kleine Wunder wirkt

St. Jacques – Pilgern auf Französisch

Filmrolle
Filmrolle

Acht denkbar unterschiedliche Menschen begeben sich aus den verschiedensten Motivationsgründen auf den zweimonatigen Fußmarsch aus Frankreich nach Santiago de Compostella. Drei Geschwister (Pierre, Claude, Clara), die das Erbe ihrer verstorben geglaubter Mutter nur dann erhalten, wenn sie die Reise gemeinsam durchstehen, befinden sich in der selben Reisegruppe wie die vormals krebskranke Mathilde. Ebenfalls auf den Weg machen sich Elsa und Camille, die den Jakobsweg als Maturageschenk von ihrem Onkel erhielten. Nicht ganz unabhängig von ihnen sind auch die beiden jungen Muslime Saïd und Ramzi auf der Reise. Um zum Reisegeld zu kommen, schwindelt der in Camille verliebte Saïd dem jüngeren Ramzi und dessen Mutter vor, dass ihr Ziel Mekka sei und Ramzi auf dem Weg das Lesen lerne.

Insgesamt ergibt sich aufgrund des buntgemischten Wandervolks eine oberflächlich recht pikante Mischung. Der rassistischer Workaholic Pierre prallt auf den farbigen Reiseleiter Guy, der Spiegeltrinker Claude entpuppt sich als erstaunlich fit und charmant, der auf den ersten Blick leicht zurückgebliebene Analphabet Ramzi stellt sich als recht vif heraus. Für Lacher sorgen vor allem in der ersten Hälfte des Filmes die kernigen Auseinandersetzungen zwischen den sich nicht unbedingt liebenden Geschwistern. Interessant sind auch die Traumsequenzen der einzelnen Protagonisten, die in abstrahierten Bildern dargestellt werden. So schrumpft der übergroß heranstürmende Buchstabe A in der Traumwelt Ramzis im Laufe seines Lernprozesses mit der gestressten Lehrerin Clara in sich zusammen, und verwandelt sich in seine verschleierte Mutter, die sich von ihm verabschiedet. Dieser Traum ist wohl neben der als eine Art dämonischer Verführung stilisierten Entscheidung Camilles sich auf Saïds Liebe einzulassen, der tiefgründigste, greift er doch der tatsächlichen Handlung des Filmes symbolisch voraus. Der Tod Ramzis ist allerdings das einzige tragische Moment in St. Jacques - Pilgern auf Französisch. Der Rest der Handlung plätschert trotz schwieriger Rahmenbedingungen an seichten Ufern von Kirchenkritik, Beziehungsproblemen, Rassismus und sozialer Schere durch wunderschöne Landschaftsaufnahmen der allgemeinen Wohlgefälligkeit entgegen. Die angenehm unauffällige Musik trägt mit den teils witzigen Kameraeinstellungen das ihre zur entspannten Stimmung bei, die wie durch unsichtbare Hand fast alle Probleme der Wanderer löst. Dies mag auf der einen Seite dazu veranlassen, den Film als sozial verharmlosend zu kritisieren. Auf der anderen Seite bleibt so eine schöne Melokomödie für Jung und Alt, die dazu anregt, sich Gedanken zu machen und etwas über seinen eigenen Horizont zu blicken.

Gut für das Herz, flach im Abgang.